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WISO-Empfehlung zu PV / § 217 StGB vor BVerfG

18. Okt 2016

I N H A L T:

1. Der § 217 StGB und die Folgen I: Verfassungsbeschwerden laufen
2. Zwei WISO-Empfehlungen zu wirksamer Patientenverfügung (ZDF am 10.10.2016)
3. Der § 217 StGB und die Folgen II: Prof. Hilgendorfs Vortrag in der Berliner Hospizwoche

1. Der § 217 StGB und die Folgen I:

Voraussetzung für den im Dezember 2015 eingeführten neuen Strafbarkeits-Paragraphen § 217 StGB war eine normative, für selbstverständlichen Konsens gehaltene Unterteilung in „Gute“ und „Böse“: Hier die guten „Hospizler“ und Palliativmediziner, die natürlich nicht gemeint waren – dort die bösen, zu verbietenden Vertreter von Suizidhilfeorganisationen. Allerdings gibt der Gesetzestext – dort ist ganz allgemein von einem „wer“ die Rede – kein Unterscheidungsmerkmal vor: Wer wiederholt die Gelegenheit zur Selbsttötung zum Gegenstand seiner Beschäftigung macht (sog. Geschäftsmäßigkeit), wird mit bis zu 3 Jahren Gefängnis bestraft.

Inzwischen liegen mindestens ein halbes Dutzend Verfassungsbeschwerden vor, um den § 217 StGB zu kippen. Die Beschäftigung damit seitens des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) ist im vollen Gang. U. a. wurden der Humanistische Verband Deutschlands (HVD als Interessenorganisation konfessionsfreier Menschen) sowie die katholische und die evangelische Kirche vom BVerfG um eine Stellungnahme gebeten. Das ist seitens des HVD inzwischen erfolgt.

 

Mehr beim HPD: Gefängnisstrafen für Suizidhelfer können keinen Bestand haben

2. WISO (ZDF-Verbrauchermagazin) empfielt zwei Organisationnen, um eine wirksame Patientenverfügung neu abzufassen

Vorab zur Sendung am Montag, den 10.10.2016, 19:25 Uhr (WISO-Originaltext):

Tipp:

Greifen Sie nicht auf Muster und Vordrucke aus dem Netz zurück, sondern verfassen Sie Ihre Wünsche und Ansprüche ganz individuell. Wichtig sind präzise juristisch-medizinische Formulierungen …

Was von Mustervordrucken zu halten ist:

Viele Deutsche haben seit Jahren eine Patientenverfügung, wissen aber gar nicht mehr welche oder was sie eigentlich unterschrieben haben. Diverse Organisationen, Vereine oder Rechtsanwälte bringen meist vorgefertigte Text-Vordrucke mit unterschiedlichen Formulierungen in Umlauf. … So vielfältig wie Wertvorstellungen und Glaubensüberzeugungen sind, können auch die individuellen Entscheidungen des Einzelnen sein … Deshalb kann es kein einheitliches Muster geben, das für jeden Menschen gleichermaßen geeignet wäre. …

Wo Sie beraten werden:

Eine kostenlose Beratung bekommen Sie beispielsweise bei der Zentralstelle Patientenverfügung, Hospizvereinen sowie kirchlichen Einrichtungen. Bei Verbraucherzentralen oder Rechtsanwälten und Notaren mit entsprechendem Arbeitsschwerpunkt fallen Kosten an. …

Möchten Sie sich eine rechtssichere Patientenverfügung erstellen lassen, können Sie sich an die Zentralstelle Patientenverfügung wenden. Deren Standard-Patientenverfügung basiert auf den Textbausteinen des Bundesjustizministeriums, und die Erstellung kostet 36 Euro, wenn die Daten online übermittelt werden; bei Papierform 50 Euro. Sie beschränkt sich im Wesentlichen auf Standard-Situationen wie den Sterbeprozess und den dauerhaften Verlust der Einwilligungs- und Kommunikationsfähigkeit. Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz  berät zu und erstellt Patientenverfügungen – allerdings nur für ihre Mitglieder ab 42 Euro Jahresbeitrag. … “

Quelle:www.zdf.de/wiso/mit-der-patientenverfuegung-rechtliche-entscheidungen-vorher-selbst-treffen

Anmerkung Patientenverfügung-newsletter: Wir gehen davon aus, dass die Qualität der beiden hier von WISO empfohlenen Angebote zur Patientenverfügung (Erstellung inkl. Beratung und ggf. Hinterlegung) gleichwertig ist. Allerdings haben die beiden gemeinnützigen Anbieterorganisationen verschiedene Wertvorstellungen und Voraussetzungen.

Bei der Zentralstelle des Humanistischen Verbandes (HVD) ist die Erstellung einer (Standard-)Patientenverfügung inkl. Vollmachten mit Beratung für online nur 36 Euro an keine Voraussetzung gebunden. Eine (Förder-)Mitgliedschaft wäre nur anschließend erforderlich für die kostenfreie Hinterlegung der HVD-Patientenverfügung mit Notfallpass. Sie vertrauen sich dann einer Organisation an, welche z. Z. beim BVerfG gegen die Strafbarkeit der Suizidhilfe kämpft.

Bei der Dt. Stiftung Patientenschutz ist eine vorangegangene Mitgliedschaft bereits erforderlich für die dann kostenfreie Erstellung einer Patientenverfügung inkl. Beratung sowie eine Hinterlegung. Mit der erforderlicher Mitgliedschaft im Förderverein der Stiftung Patientenschutz unterstützen Sie eine Organisation, die auf ihrer Internetseite hervorhebt, sie lehne „ärztlich assistierten Suizid strikt ab.“

3. Der § 217 StGB II: Prof. Hilgendorfs Vortrag in der Berliner Hospizwoche

Die zum Gesetzestext mitgelieferte Begründung weist darauf hin, dass auch die Gewährung eines Zimmers zum möglichen (!) Suizid strafbar ist. Gemeint waren wohl exemplarisch die Sterbezimmer, wie sie DIGNITAS (die „Bösen“) in der Schweiz auch für Deutsche Sterbewillige zur Verfügung stellt. Doch auch die Gewährung von Zimmern in einem Hospiz (die „Guten“) sind in der Bredouille, wenn dort ein unheilbar Schwerkranker ausdrücklich Sterbefasten praktiziert, um seinen Tod herbeizuführen – was juristisch eindeutig auch als Suizid gilt.

Mitschnitt des Hilgendorf-Vortrags vom 26.09.2016 mit den entsprechenden Folien auf der HVD-Veranstaltung hier: https://www.youtube.com/watch?v=bFuoQpRscro

Diese juristischen Zusammenhänge hat Herr Prof. Dr. Dr. Hilgendorf auf einer Veranstaltung im Rahmen der Berliner Hospiztage in der letzten Septemberwoche mit eindeutigen Folien dem erschrockenen Publikum zur Kenntnis gebracht. Es handelte sich um eine Veranstaltung des Humanistischen Verbandes Deutschlands (HVD), der mit seinen stationären Hospizbetten selbst betroffen ist. Denn, so Hilgendorf, Einrichtungen wie Hospize sind – ebenso wie Ärzte – in allen ihren Handlungen und Angeboten prinzipiell immer als „geschäftsmäßig“ Tätige definiert. Hilgendorf ist mit dieser Rechtsauffassung keinesfalls allein. Auch sein Kollege, der renommierte Medizinrechtler Wolfgang Putz warnt Betreiber von Hospizen eindringlich davor, freiwilligen Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit in eindeutiger suizidaler Absicht zuzulassen. Zwar ist natürlich keine Zwangsernährung erlaubt, aber man müsse dann im Notfall dem Hospizpatienten nahelegen, dass Haus zu verlassen, weil man das Zimmer dazu nicht zur Verfügung stellen kann. Paradoxerweise falle aber z. B. ein sogar angekündigter Sprung aus dem Fenster oder vom Balkon des Hospizes nicht darunter.

Zur genau gegenläufigen Entwicklung in der Schweiz, wo Freitodbegleitung im Heim geduldet werden muss, siehe beim HPD: Heilsarmee muss Freitodbegleitungen in ihrem Altersheim dulden

Die Vertreterin des Humanistischen Verbandes, Gita Neumann, betonte auf der Veranstaltung, dass es ein sich rächender Fehler der Hospizbewegung sei, die Suizidhilfe und sog. aktive Sterbehilfe zu ihrem Feindbild erklärt zu haben. Stattdessen ging es darum, die Auswüchse der Geschäftemacherei mit dem Sterben und vor dem Tod im Gesundheitsbereich anzuprangern. Dazu würde auf der Veranstaltung der Beitrag des Magazins monitor (ARD) gezeigt: Geschäfte mit Todkranken – Missachtung von Patientenverfügung in der Intensivpflege (strafbare Urkundenunterdrückung).
Juristische Spitzfindigkeiten zum Verbot der „Bösen“

Prof. Hilgendorf hat es mit einem Folien-Vortrag hervorragend verstanden, die komplizierten juristischen Zusammenhänge einem Laienpublikum deutlich zu machen. Dazu gehört beim subjektiven Tatbestand (der Haltung zur objektiven Tat) die Unterscheidung zwischen „absichtlich“ und „bedingt vorsätzlich“. Laut Gesetzestext macht sich strafbar, „wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt …“. Hilgendorf führte aus, dass es dabei jedoch der „einfache Vorsatz“ hinreichend ist, die eigentliche Tat (Selbsttötung) ggf. nur billigend in Kauf zu nehmen. Der Gesetzgeber hätte es damit unmöglich machen wollen, dass etwa Suizidhilfevereine argumentieren: Man gewähre mit voller Absicht das sog. „grüne Licht“ (Gelegenheit), wolle damit aber nicht fördern, dass potentiell Suizidwillige sich dann auch tatsächlich das Leben nehmen – denn es bestehe ja die berechtigte Erwartung, dass sie dieses gerade aufgrund der Möglichkeit hinausschieben oder gar nicht in Anspruch nehmen. Doch würde dazu der sog. einfache Vorsatz genügen, d. h. eine billigende Inkaufnahme des tatsächlichen Suizids.

Ein Verbot der Suizidhilfegesellschaften (der „Bösen“) ist also in jedem Fall gegeben – allerdings wegen der weiten Fassung mit offenbar auch vom Gesetzgeber nicht erwünschten Kollateralschäden für die „Guten“.