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Anteilnahme und Reaktionen im Sterbehilfefall Humbert

10. Nov 2008

Der Mutter ein Denkmal setzten

Aus ‘Frankfurter Rundschau’ vom 28.09.: Mit großer Anteilnahme haben die Franzosen das dramatische Lebensende des seit seinem Unfall vor drei Jahren gelähmt, blind und stumm an sein Bett gefesselten 22-jährigen Vincent Humbert verfolgt. Die von dem jungen Mann gewollte, von seiner Mutter unterstützte und vom Verleger seines testamentarischen Buchs inszenierte Medienkampagne über den Todeswunsch eines zum Leben aus eigener Kraft nicht mehr fähigen Menschen hat ihr Ziel erreicht. In Frankreich wird erneut über die Sterbehilfe debattiert. Der 48-jährigen Marie Humbert, die ihrem Sohn eine Überdosis Schlafmittel verabreichte, schlägt Mitgefühl entgegen. Der frühere sozialistische Gesundheitsminister Bernard Kouchner zollte ihr Respekt: Man müsse ihr ein Denkmal setzen. Staatspräsident Jacques Chirac, ein Gegner der Sterbehilfe, rief sie an, um ihr seine Anteilnahme auszudrücken. Und die Staatsanwaltschaft, die nun, wie es das Gesetz befiehlt, eine Untersuchung einleiten muss, wird die Mutter auf Anweisung von Justizminister Dominique Perben mit ‘größter Menschlichkeit’ behandeln.

Aus: Spiegel Online:
Nachdem seine Mutter ihm das Schlafmittel verabreicht hatte, waren noch Maßnahmen zur Wiederbelebung eingeleitet worden. Noch am Donnerstag hatten die Ärzte erklärt, Vincent Humbert liege in einem tiefen und stabilen Koma. Doch nun stellten die Ärzte alle aktiven Behandlungsmaßnahmen ein.’ Das medizinische Team, das ihn seit drei Jahren begleitet hat, hat diese gemeinsame und schwierige Entscheidung in völliger Freiheit getroffen’, sagte der Chefarzt der Reanimationsabteilung im Krankenhaus von Berck-sur-Mer, Frederic Chaussoy.
Marie Humbert hatte ihre Tat mehrfach öffentlich angekündigt. Die Staatsanwaltschaft von Boulogne erklärte, gegen die 47-jährige Mutter werde zunächst nicht ermittelt.
Der Mutter müsse man ein Denkmal setzen, sagte Bernard Kouchner, ehemaliger Gesundheitsminister und Mitbegründer von ‘Ärzte ohne Grenzen’. Er sprach sich für eine grundlegende Debatte über die Sterbehilfe aus. Die derzeitige gesetzliche Lage schaffe Grauzonen. Wie die Zeitung ‘Liberation’ berichtete, spreche sich auch Sozialminister Francois Fillon für eine Gesetzesänderung aus.

Die Diskussionen in Frankreich riefen auch in Deutschland Reaktionen von zwei Organisationen hervor. Die Deutsche Hospiz Stiftung (Dortmund) kritisierte den Vorschlag Fillons, das Strafrecht zu ändern.’ Es ist unfassbar, dass der französische Sozialminister den einfachen Weg gehen will: Anstatt sich endlich für eine bessere Versorgung der Schwerstkranken und Sterbenden in Frankreich einzusetzen, wird jetzt die aktive Sterbehilfe gefordert’, kritisierte der Geschäftsführer der Stiftung, Eugen Brysch. Er wies darauf hin, dass ein enger Zusammenhang zwischen der schlechten Versorgung von Schwerstkranken und dem Ruf nach aktiver Sterbehilfe bestehe. Demgegenüber hatte der Humanistische Verband Deutschlands (Berlin) eine 10 Eckpunkte umfassende Gesetzesinitiative ‘Autonomie am Lebensende für Patientenrecht und Sterbehilfe’ vorgestellt (unter: patientenverfuegung.de/Patientenverfügung/aktuell.htm) und zur Unterstützung aufgerufen. Denn, so Gita Neumann vom Humanistischen Verband, ‘es zeigt sich immer wieder, dass auch die bestehende deutsche Rechtslage fortgesetzte Menschenrechtsverletzungen am Lebensende nicht verhindern kann’.

In Frankreich kämpft die ‘Vereinigung für das Recht auf einen würdigen Tod’ seit 30 Jahren darum, die geltende Gesetzeslage den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen anzupassen. Der Vereinigung gehören namhafte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens an. Für Euthanasie, wie Sterbehilfe in Frankreich genannt wird, gibt es im französischen Strafrecht keine Ausnahme. Aktive Sterbehilfe gilt als Mord oder Tötung, also als Verbrechen, auch wenn der Tat keine niedrigen Beweggründe zu Grunde liegen und das Einverständnis des Patienten und seiner Angehörigen vorliegt. Passive Sterbehilfe steht der unterlassenen Hilfeleistung gleich und ist damit ein Delikt.