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Erhitzte Gemüter zur Freitod-Bewertung

10. Nov 2008

Eine Meldung vom 07.03.2003 dieses NEWSLETTERS erhitzt weiterhin die Gemüter, wie wir durch Rückmeldungen zahlreicher schwerstkranker Menschen erfahren haben, die ggf. die Möglichkeit eines Freitodes mit Hilfe ihres Arztes für sich beanspruchen.
Wir berichteten, dass Prof. Dr. Jutta LIMBACH, Bundesverfassungsgerichtspräsidentin a. D., eine strafrechtliche Missbilligung des ärztlich assistierten Freitodes bejaht und ausdrücklich begrüßt hat. Sie tat dies mit Hinweis auf die ‘Schutzbedürftigkeit der Schwachen, Kranken und Alten’ in einer Festrede auf dem jüngsten Kongress für Palliativmedizin in München. Dort hatte sie ferner im Zusammenhang mit dem Fall der Britin Dianne Pretty vorgetragen: ‘Die Rechtslage in Großbritannien, die in dem Suicide-Act (Selbstmord-Gesetz) ausdrücklich geregelt ist, entspricht weitgehend der deutschen. Zwar ist der Freitod in England seit dem Jahre 1961 kein Verbrechen mehr. Gleichwohl ist die Mithilfe eines anderen bei der Selbsttötung verboten ‘ .

Wir zitieren im folgenden gegenteilige Auffassungen und Bewertungen namhafter Juristen, die als Experten für ärztliche Sterbebegleitung, Medizinethik und -recht gelten:

Der Strafrechtsexperte und Bundesrichter a. D. Klaus KUTZER bekräftigt auf unsere Anfrage noch einmal seine Position, die er bereits im vorigen Jahr auf dem 8. Vormundschaftsgerichtstag in Erkner und auf Anfrage der Bundestagsabgeordneten Rolf Stöckel und Irmingard Schewe-Gerigk im Berliner Reichstag vorgetragen hatte. Wir zitieren zunächst aus seinem Antwortschreiben vom 07.03.2003):

‘Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat, wie Frau Limbach richtig zitiert, in der Tat gesagt (BGHSt 46, 279, 286): ‘Dies [gemeint ist: die Regelung des § 216 StGB] zeigt an, dass die Rechtsordnung die Mitwirkung eines anderen am Freitod eines Menschen grundsätzlich missbilligt.’ Daraus hat der 5. Strafsenat des BGH aber nicht den Schluss gezogen, dass bei uns Beihilfe zum Suizid wie in England strafbar sei. Die vor Verlust der Tatherrschaft des Suizidenten geleistete Beihilfe zum Suizid ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur strafbar, wenn der Suizident nicht entscheidungsfähig ist oder wenn das Suizidgeschehen für einen anwesenden Dritten einen Unglücksfall nach § 323 c StGB darstellt und die weiteren in § 323 c StGB genannten Voraussetzungen vorliegen (vgl. BGHSt 32, 367, 375). Um die Strafbarkeit nach § 323c StGB einzuschränken und in bestimmten Fällen auszuschließen, habe ich ja in Berlin bei der Info-Veranstaltung am 27.06.2002 im Deutschen Bundestag angeregt, diese Rechtsprechung durch den Gesetzgeber (‘jedenfalls im Falle eines offensichtlich freiverantwortlich begangenen Suizids’) zu überprüfen. Inzwischen habe ich mehrfach, z. B. auf dem 8. Vormundschaftsgerichtstag in Erkner, vorgeschlagen, dem § 323c StGB folgenden Satz anzufügen: Hilfe ist nicht erforderlich, wenn ein Suizid nach ernsthafter Überlegung zur Beendigung schweren Leidens begangen wird.’ (Klaus Kutzer, Antwort vom 07.03.)

Das von Kutzer angesprochene Zitat seines Beitrages im Berliner Reichstag vom 27.06.2002 lautet:
‘Die Rechtsprechung, dass jeder Suizid als zur Hilfeleistung verpflichtender Unglücksfall anzusehen ist (z. B. BGHSt 32, 367, 373) bedarf meines Erachtens der Überprüfung. Jedenfalls im Falle eines offensichtlich freiverantwortlichen Suizids, insbesondere um einem langwierigen tödlichen Siechtum zu entgehen, verstößt eine strafbewehrte, also mit den Mitteln des Strafrechtes erzwungene ‘Hilfs’-Pflicht gegen die Achtung des Persönlichkeitsrechts des Suizidenten. Wegen fehlender Prognostizierbarkeit einer Rechtsprechungsänderung könnte der Gesetzgeber eine Klarstellung in den §§ 13 und 323c StGB erreichen wenn er dieses Ziel teilt.’
(Aus: Dokumentation der Veranstaltung vom Juni 2002 im Berliner Reichstag, Wortprotokoll)

Ähnlich hatte sich bereits im Oktober vorigen Jahres Prof. Hans-Ludwig SCHREIBER geäußert. Eine gesetzliche Regelung könnte, so der Göttinger Jurist, für den ärztlich assistierten Suizid eine Alternative zur Tötung auf Verlangen sein. Beim assistierten Suizid bleibe der Kranke Handelnder, der Arzt unterstütze ihn nur bei der Auswahl des Giftes. Bei der aktiven Sterbehilfe hingegen werde der Arzt, selbst wenn der Patient einwilligt, zum Handelnden. Mit seinem Vorschlag wolle er dem ‘Treiben von Sterbehelfern’ entgegentreten. Der Einsatz dieser Helfer sei ein Beleg für die ‘unbefriedigende Situation’ hierzulande, so Schreiber weiter: Der Arzt, muss will er strafrechtliche Konsequenzen vermeiden einen sterbenden Patienten, dem er eigentlich beistehen will, alleine lassen, eine Sterbebegleitung bis zum Tod wird unmöglich gemacht. Schreibers
Schlussfolgerung: Wenn sich ein Patient in einer hoffnungslosen Situation befindet, in der er sich nichts mehr als den Tod wünscht, dann sollte ihm dabei ein Arzt und nicht ein selbsternannter Sterbehelfer beistehen können. (Schreiber auf der Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing, Oktober 02)

FAZIT: Nur die Tötung auf Verlangen ist in Deutschland eindeutig verboten. Die Hilfe zur Selbsttötung eines Freiwillensfähigen ist in Deutschland anders als z. B. in England straffrei, jedoch von ‘Missbilligung’ begleitet. Für hoffnungslose Situationen, in denen sich der Patient nichts mehr als den Tod wünscht, sollte es nach Auffassung namhafter Experten eine gesetzliche Regelung geben, die den ärztlich assistierten Suizid und vor allem die Unterlassung anschließender Hilfspflichten ermöglicht.