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Hannelore Kohls Suizid eine Sünde? Interview mit Bischof Fürst

10. Nov 2008

www.hz-online.de vom 29.05.2004

INTERVIEW / Bischof Gebhard Fürst über die Gefährdung des Lebens

Warten, bis die Kurve zum Strich wird

Sorge um die Würde des Sterbenden

Beim Deutschen Katholikentag in Ulm wird das Leben aus christlicher Sicht zentrales Thema sein. Aus gutem Grund, sagt Gastgeber Gebhard Fürst. Der Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart sieht das Leben vor allem an seinem Anfang und an seinem Ende bedroht

Wenden wir uns dem Lebensende zu. Da ist eine katholische Position inzwischen geschliffen worden, nämlich die Verdammung der Selbsttötung. Spätestens seit der Trauerfeier für Hannelore Kohl hat man den Eindruck, dass die katholische Kirche ihren Segen nicht verweigert, wenn jemand sich in so aussichtsloser Lage selbst tötet.

FÜRST: Also, Selbsttötung ist von christlichem Ethos nicht erlaubt. Das ist ein Handanlegen an sich selber. Wenn wir sagen, der Mensch ist ein Geschöpf, er hat sich das Leben nicht selber gegeben, sondern es ist ihm von Gott gegeben, darf er sich es auch nicht nehmen. Man muss aber unterscheiden zwischen der Norm und dem Umgang mit einem Menschen, der diese Norm verletzt hat. Jetzt ist es so, dass jemand, der sich das Leben genommen hat, trotzdem eine kirchliche Begräbnisfeier haben kann.

Also Verbot und Vergebung?

FÜRST: Es gibt ja das Wort: “Gott liebt nicht die Sünde, aber den Sünder.” Das ist ja ein Verhalten, dass durch Jesus besonders deutlich geworden ist. Die Zuwendung zu den Sündern heißt ja nicht, dass die Verfehlungen da einfach heilig gesprochen werden.

Wo ist Ihrer Ansicht nach die zu ziehende Grenze zwischen Sterbebegleitung einerseits und Sterbehilfe andererseits, etwa dem Abstellen lebenserhaltender Maschinen?

FÜRST: Da muss man differenzieren. Es gibt die christliche Patientenverfügung, in der einer sagen kann, heute entschließe ich mich, wenn ich in die oder die Situation komme, dass ich dann nicht unter allen Umständen an den Apparaten hängen will.

Aber dann gehört immer noch ein Mensch dazu, ein Angehöriger, ein Arzt, der aktiv handelt und einen Hebel von oben nach unten kippt. Ist der bei Vorliegen einer solchen Patientenverfügung sündig?

FÜRST: Auch da haben Sie keine hundertprozentige Klarheit. Was heißt Leben zum Beispiel bei einem Hirntoten an einer Herz-Lungen-Maschine? Es ist ja ethisch von der katholischen Seite her akzeptabel, dass einem Hirntoten die Organe entnommen werden, weil der Hirntod der irreversibel eingeleitete, auch biologische Sterbeprozess ist. Aber selbst der biologische Leib eines Hirntoten hat noch erhebliche Fähigkeiten, sich als Lebender zu äußern. Bei einer Infektion bekommt der Hirntote Fieber. Und die klassischen Todesmerkmale, mit denen Mediziner den Tod beschreiben, also Leichenstarre, Totenflecken und Leichenkälte, liegen beim Hirntod überhaupt nicht vor. Der Mensch liegt da, als ob er schlafen würde.

Eine Frage an Sie als Seelsorger: Welche Vorstellung haben Sie vom Aufenthaltsort der Seele eines Hirntoten? Ist sie im Körper oder bei Gott?

FÜRST: Da muss ich einfach sagen, das ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann.

Aber es herrscht ausreichend Klarheit, einen Hirntoten dann auch sterben zu lassen etwa mit der Perspektive der Organspende?

FÜRST: Es ist eine sehr grenzwertige Position. Ich habe einmal mit einem Chefarzt einer großen Klinik heftig diskutiert darüber, wie das zugeht, wenn da der schwer Hirnverletzte liegt und alle zuschauen, wie auf den Geräten plötzlich die Kurven zu Strichen werden.

Und anderswo wird einer, dem geholfen werden soll, schon zur Operation vorbereitet.

FÜRST: Man kann ja auch schon vorher, wenn er eingeliefert wird, absehen, was in den nächsten Stunden passieren wird. Wenn das ein 18-jähriger schwer hirnverletzter Motorradfahrer ist, der ansonsten ein vitaler junger Mann wäre, geht man davon aus, dass er gute Organe hat. Da werden die Krankenwagen und Transportmittel schon bereitgestellt, bevor der Hirntod festgestellt ist. Da stehen die Wagen schon rum und alle warten ab. Das sind dann Momente, in denen ich sehr in Sorge bin, was die Würde des Sterbenden und die Würde des Leichnams angeht. Der Leib wird wie eine Organbank benutzt.

(Das Interview führte DETLEV AHLERS)