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Beitrag

PD Dr. Meinolfus W. M. Strätling zum Gesetzentwurf der Dt. Stiftung Patientenschutz.

20. Sep 2014

Sterbehilfe bei schweren Leidenszuständen durch Suizidhilfe:

Stellungnahme und "Fakten-Check“: Die ersten politischen Diskussionsbeiträge
und der Gesetzesentwurf der „Deutschen Stiftung Patientenschutz
1

 

Zusammenfassung („Kurzversion“):

Die aktuelle Debatte zur „Sterbehilfe“ in Deutschland wird zunehmend unübersichtlich. Sie wird eher unnötig kontrovers geführt und bedarf dringend einer Versachlichung. In der „Flut“ der jüngsten Regelungsvorschläge stechen einzelne, umfangreichere Stellungnahmen hervor. Dies sind bisher ausschließlich „Verbotsinitiativen“: Sie fallen weit hinter bereits geltendes Recht zurück. Die Begründungen sind von einseitigen Ideologien geprägt. Diese werden von der breiten Mehrheit der Bevölkerung nicht geteilt. Auch unter Anlegung objektiver, wissenschaftlicher Kriterien erscheinen sie fragwürdig. Sie stellen „Minderheiten-Voten“ dar. Zur Verdeutlichung dieses Phänomens wird exemplarisch der Gesetzentwurf der „Deutschen Stiftung Patientenschutz“ einem „Fakten-Test“ unterzogen. Im Ergebnis wird deutlich, dass dieser für eine Neuregelung der Suizidhilfe in Deutschland nicht infrage kommen kann.

 

Presseerklärung („Langversion“):

Hintergrund: Die aktuelle Debatte zur Sterbehilfe in Deutschland wird zunehmend unübersichtlich. Sie wird eher unnötig kontrovers geführt und bedarf dringend einer Versachlichung. Tatsächlich ist nämlich die Rechtssicherheit für Sterbende, Schwerstkranke sowie für ihre Angehörigen und Betreuenden bereits jetzt exzellent: In Deutschland ist der selbstverantwortete Freitod (Suizid) und „Sterbehilfe“ durch den (ggf. auch „begleiteten“ oder „assistierten“) Suizid „an sich“ bereits jetzt grundsätzlich nicht (!) strafbar. Dies erfolgt in Anerkennung einer Vielzahl von ethischen, medizinischen, (verfassungs)rechtlichen und gesellschaftspolitischen Rationalen. Erhebliche Probleme bestehen allerdings noch immer bei der Umsetzung in der Praxis. Diese wären jedoch mit nur noch minimalem Aufwand zu lösen. Die Diskussion von Gesetzesentwürfen, die sehr aufwendig wären, die hinter bereits geltendes und bewährtes Recht zurückfallen, die bestehende Rechtssicherheiten einschränken, oder die praktische Probleme nicht lösen, sollte sich damit also eigentlich erübrigen.

Aktueller Anlass: In der „Flut“ der jüngsten Diskussionsbeiträge lassen sich zwei „Hauptgruppen“ unterscheiden:

Die meisten Beiträge stammen von Politikern, aus der weiteren gesellschaftspolitischen Diskussion sowie aus der öffentlichen Berichterstattung. Ausnahmslos sind diese sicher wohlmeinend. Leider sind sie meist aber auch wenig sachkundig: Offensichtlich ist den meisten Beteiligten schon die bereits bestehende Rechtslage sowie ihre sehr vernünftigen Begründungen nicht, oder nicht hinreichend bekannt. Hier besteht also noch erheblicher Bedarf an möglichst objektiver Information, an Reflektion und an differenzierter Meinungsbildung.

Die zweite Gruppe, die in Erscheinung getreten ist, sind recht umfangreiche „Regelungsentwürfe“. Es sind bisher ausschließlich „Verbotsinitiativen“, die weit hinter geltendes Recht und bereits hergestellte Rechtssicherheit zurückfallen. Die Begründungen sind überwiegend von einseitigen Ideologien geprägt. Diese werden von der breiten Mehrheit der Bevölkerung nicht geteilt (nach jüngsten Untersuchungen: rd. 87%). Auch unter Anlegung objektiver, wissenschaftlicher Kriterien erscheinen sie fragwürdig. Es droht also die Gefahr, dass eine bereits fast erreichte Etablierung eines beispielgebenden, zugleich differenzierten, pragmatischen und pluralistisch-liberalen „Sterbehilfe-Rechts“ für Deutschland unter einer „Flut“ von „Schnellschüssen“ „begraben“ wird, die oft leider wenig durchdacht sind.

Minderheitenvoten“ sind selbstverständlich zu respektieren. Ihre grundsätzliche Schützenswürdigkeit und ihr Grundrechtsschutz steht auch überhaupt nicht zu Disposition. Problematisch wäre allerdings, wenn sich der Eindruck einstellen sollte, dass eine Minderheit, zumal mit sachlich oft weniger überzeugenden Argumenten, in dieser Frage den Versuch unternimmt, der breiten Mehrheit, mit den i.A. deutlich überzeugenderen Sachargumenten, ihre Weltanschauung „aufzuzwingen“.

Zur exemplarischen Verdeutlichung der „Spannweite“ der Debatte wird der aktuelle Gesetzentwurf der „Deutschen Stiftung Patientenschutz“ einem „Fakten-Test“ unterzogen. Hierzu werden seine praktischen Folgen – würde er Gesetz – mit der bereits bestehenden Rechtslage verglichen.2

 

Fakten-Check“:
Der Gesetzesentwurf der „Deutschen Stiftung Patientenschutz“
(Vergleichsgrundlage: Bestehende Rechtslage zur Suizidhilfe in Deutschland)

 

Kriterium Status (Legende: Kriterium erfüllt: +. Kriterium nicht erfüllt:)

  1. Allgemein: Wahrung bereits bestehenden / bewährten Rechts: 

  2. Patient: Wahrung bestehender Rechte / Rechtssicherheit:       

  3. Angehörige, Ärzte, andere Helfende: Wahrung bestehender     
    Rechtssicherheit, insbesondere im Sinne einer möglichst
    differenzierten, verantwortungsbewussten, kompetenten
    Begleitung der Sterbewilligen

  4. Wahrung von weltanschaulichem Pluralismus / Duldsamkeit:  

  5. Gesellschaftspolitische Mehrheitsverhältnisse / Mandat:         

  6. Ermöglichung einer würdevollen Durchführung                        
    eines etwaigen Freitodes bei schweren Leidenszuständen /
    Minimierung denkbarer „Kollateralschäden“

  7. Wer wird ggfs. „bestraft“ („Kommt ggf. ins Gefängnis“ ):

  1. Obligatorisch: Alle Ärzte, Pflegenden („Professionelle“), oder sonstigen Helfer, wenn diese Suizidhilfe nicht nur in einem isolierten oder in seltenen Ausnahmefällen leisten, sondern (unspezifische) Kriterien erfüllen, die in Bezug auf Suizidhilfe auf z.B. vertieftes Interesse und Erfahrung, auf spezifische Qualifikation und Sachkompetenz, Aus- und Weiterbildung, kollegiale und inter-professionelle Konsultationen, auf die Bereitstellung umfangreicherer Informationen, Beratung oder Begutachtung für die Betroffenen sowie auf die Bildung von für solche Zwecke geeigneten Organisationen (z.B. Fachgesellschaften, Fachverbände, Vereine) schließen lassen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn dies Seitens der Leistungserbringer ohne persönliche Bereicherung oder ehrenamtlich erfolgt (Juristischer Fachbegriff in der aktuellen Diskussion: „geschäftsmäßige“ Suizidhilfe). Vorgesehenes Strafmaß: Bis zu drei Jahre Haft oder Geldstrafe.

  2. Möglicherweise: alle Ärzte, Pflegenden („Professionelle“), oder sonstigen Helfer, die Suizidhilfe leisten (absehbare Verunsicherung / eingeschränkte Rechtssicherheit „ex-ante“, angesichts o.g. „unspezifischen“ Kriterien: „Regel-Risiko“, zumindest staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen unterworden zu werden).

  3. Wer bei der Suizidhilfe die Notlage der Betroffenen missbräuchlich ausnutzt, insbesondere um sich zu bereichern oder um Druck auszuüben (Juristischer Fachbegriff in der aktuellen Diskussion: „gewerbsmäßige“ Suizidhilfe) (Unverändert / wie bisher).

 

Erläuterungen / Kommentare (Auswahl):

ad 1./ 3. – 5.: Allgemeine Rechtslage und Rationalen: Vordergründig wird die grundsätzliche Straffreiheit der Suizidhilfe nicht angetastet und ausdrücklich bejaht. Faktisch wird diese jedoch weitgehend „verunmöglicht“ (vgl. 7 a / b). Im Endergebnis wird die Rechtslage also massiv eingeschränkt (insbesondere die „Vorhersehbarkeit“ der Folgen und somit die Rechtssicherheit der Betroffenen). Aus wissenschaftlicher Sicht sind sämtliche Begründungen fragwürdig (vgl. ausführlich: Fn.2)

ad 2. / 6: Patientenrechte: Entwurf schränkt Zugang von Patienten zu tatsächlich kompetenter / differenzierter / angemessener Beratung und Hilfe ein (vgl. 7a / b). Zugänglich-Machung von für Suizidhilfe geeigneten Substanzen oder Verfahren ausdrücklich nicht vorgesehen und weiterhin verboten (Keine Behebung der Umsetzungsprobleme). Erhöhte Wahrscheinlichkeit vermeidbarer „Kollateralschäden“.

Fazit: Der Entwurf der „Deutschen Stiftung Patientenschutz“ bringt in Bezug auf kein einziges Kriterium eine Verbesserung gegenüber der bisherigen Rechtslage. Im Gegenteil: In allen Bereichen führt er zu – überwiegend sogar drastischen – Verschlechterungen. Damit kann er für eine etwaige gesetzliche Neuregelung der Suizidhilfe in Deutschland nicht in Frage kommen.

 

Priv. Doz. Dr. med. Meinolfus W.M. Stätling

1 Ehemals: „Deutsche Hospizstiftung“: Augsberg S., Brysch E., Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (8. Mai 2014): Zugriff: Juli 2014.

2 Ausführliche Hintergründe / Begründung: Meinolfus Strätling, Beate Sedemund-Adib; Strafrechtliches Verbot der ärztlich assistierten, „organisierten“, oder „geschäftsmäßigen“ Suizidbeihilfe bei schwersten Leidenszuständen ? Die aktuelle Gesetzgebungsinitiative zur „Sterbehilfe“ in Deutschland: Eine kritische Analyse, Diskussion und Rechtsfolgenabwägung aus medizinischer und ethischer Sicht (Bearbeitungsstand: August 2014). Siehe: assist_suizid_online-stellungnahme_straetling_et_al.pdf