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Schmerzhafte Hinrichtungen – Arzneimittelfirmen verweigern Pentobarbital zu liefern

14. Mai 2015

Von Thomas Frankenfeld (in Berliner Morgenpost vom 7. Mai 2015):

>> Schmerzen wie auf dem Scheiterhaufen<<

In den USA wird darüber diskutiert, welche Art Todesstrafe verfassungsgemäß ist. Einige Hinrichtungen  durch die Giftspritze sind entsetzlich schief gegangen – offenbar durch unsachgemäßes Setzen der Infusionsnadel.

 

>> Der 8. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten, Teil der Bill of Rights, wurde vom US-Kongress im September 1789 verabschiedet und stellt einen für die damalige Zeit revolutionären Fortschritt in punkto Menschenrechte dar. Er verbietet nicht nur Folter, er verbietet auch grausame Bestrafungen durch die Justiz eines Staates. Der 226 Jahre alte "Amendment VIII" liefert bis heute den Hintergrund für erbitterte juristische Auseinandersetzungen über die Todesstrafe in den USA.

1972 hatte der Supreme Court, die oberste juristische Instanz der USA, die Todesstrafe zur Verletzung des 8. Zusatzartikels erklärt, sie in den ganzen USA ausgesetzt und 629 Todesurteile in lebenslange Haftstrafen umgewandelt. Doch die US-Bundesstaaten, denen die Vollstreckung in den allermeisten Fällen obliegt, überarbeiteten ihre Todesstrafengesetze – und 1976 wurde die Todesstrafe wieder in Kraft gesetzt. Seitdem wurden in den USA mehr als 1400 Menschen hingerichtet, mehr als 3000 sitzen derzeit in den Todeszellen ein. Aber 18 der 50 US-Bundesstaaten und der District of Columbia (Washington) haben die Todesstrafe seitdem wieder abgeschafft, in einigen Staaten wird sie nicht angewendet.

Zwischen 1900 und 1985 wurden nach einer Statistik von Amnesty international 350 Menschen zum Tode verurteilt, deren Unschuld später bewiesen wurde. 23 von ihnen hatte man bereits hingerichtet. In Europa richtet nur noch das autoritär regierte Weißrussland hin.

Eine Studie in Kalifornien ergab 2011, dass die 13 Hinrichtungen dort seit 1978 inklusive der juristischen Folgekosten – manche Todeskandidaten kämpfen viele Jahre lang um ihr Leben – mehr als vier Milliarden Dollar gekostet hätten. Vor einigen Tagen nun kam es in Washington zu einer erhitzten und grotesken Debatte auf höchster juristischer Ebene. Die neun Richter des Supreme Courts stritten darüber, welche Hinrichtungsarten vertretbar und mit dem 8. Zusatzartikel vereinbar sind.

Hintergrund sind einige Hinrichtungen durch die Giftspritze, die entsetzlich schief gegangen sind. Wie jene des Mörders Clayton Lockett Ende April 2014 in Oklahoma. 51 Minuten lang hatten Gefängnismitarbeiter in Locketts Armen herumgestochert, um eine Vene zu finden. Als dies nicht gelang, stach man die Kanüle in die Leiste. Die Vene dort platzte jedoch; was dazu führte, dass der Todescocktail aus drei Chemikalien nicht richtig in den Kreislauf gelangte. Locketts entsetzlicher Todeskampf dauerte 43 Minuten, ehe er an einem Herzinfarkt starb. Da sich europäische Arzneimittelfirmen weigern, Narkosemittel wie Pentobarbital oder Thiopental zu liefern, sind einige US-Staaten dazu übergegangen, stattdessen das Beruhigungsmittel Midazolam einzusetzen, das aber nicht schmerzstillend ist. Bundesrichterin Elena Kagan erklärte in der Debatte, der Schmerz, den Kaliumchlorid verursache, entspreche der Verbrennung auf dem Scheiterhaufen. Und sie fragte, ob dies mit der Verfassung im Einklang stehe. Ihre Kollegin Sonia Sotomayor verwies auf "schmerzlose" Hinrichtungsarten wie Gas und Erschießungskommandos. Daraufhin fragte die liberale Richterin Ruth Bader Ginsburg, ob Erschießen denn keine Schmerzen verursache. Dem erzkonservativen, noch von Präsident George W. Bush eingesetzten Bundesrichter Samuel Alito passte die ganze Debatte nicht: Es sei "angemessen" für das Justizwesen, dem entgegenzutreten, was sich zum "Guerillakrieg gegen die Todesstrafe" entwickle.<<