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Was Rolf Stöckel (MdB) wirklich sagt und was unterstellt wird

10. Nov 2008

Die Medien berichteten bisher sehr einseitig zur Initiative “Autonomie am Lebensende” des SPD-Abgeordneten Rolf Stöckel, der auch als langjähriger Vorsitzender des Humanistischen Verbandes Deutschlands (HVD) amtierte. Bezeichnend: Auch die Erstmeldung vom 07.04. in der Berliner Zeitung bestand in den kritischen Passagen ausschließlich aus indirekter Rede. Stöckel selbst ist seitdem nur in einer einzigen Zeitung von nicht eben herausragender Bedeutung, nämlich in der Heilbronner Stimme (Auflage knapp über 100.000) mit einem eigenen Statement ausgiebig zu Wort gekommen (s. u.)

Ansonsten müssen ZeitungsleserInnen den Eindruck gewinnen, dass Politik, Einzelpersönlichkeiten, Ärzteschaft, Kirchen und Verbände, wie es immer so schön heißt, sich in einhelliger Empörung gegen den Vorstoß gewandt hätten. Dieser Eindruck ist falsch. Falsch ist selbstverständlich auch, was die FAZ-Wochendausgabe ihren LeserInnen auftischt, dass nämlich der HVD die Tötung alter und kranker Menschen fordern würde, um sich selbst damit ein neues Dienstleistungsangebot zu schaffen. Dies ist an Bösartigkeit und Despektierlichkeit kaum mehr zu überbieten.

Richtig hingegen ist, dass Frau Däubler-Gmelin, Bundesjustizministerin a. D. im Zusammenhang mit der Stöckel-Initiative von einer falsch verstandenen Autonomie spricht, die “geradezu pervers” sei, dass die Vize-Präsidentin des Deutschen Bundestags Antje Vollmer ihre Missachtung gegen BürgerInnen zum Ausdruck bringt, die Patientenverfügungen abfassen (“in Zeiten seelischer Verlassenheit”).

Richtig ist auch, dass die TAZ die einzige deutsche Zeitung war, die über die Unterstützung der Stöckel-Initiative durch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger berichtete, die für die FDP im Bundestag und im Europarat sitzt.

Im Übrigen scheinen nur Zeitungen im Osten Deutschlands allzu leidenschaftliche Sterbehilfe-Gegner, wie den Thüringer Sozialmediziner Zeh, offen in die Schranken des Maßvollen zu verweisen. Die Ostthüringer Zeitung bezeichnet seine Dammbruchwarnung als “unbewiesene Behauptung und auch eine Angst machende Prophezeiung”. Zeh verließe “die Ebene eines akzeptablen Diskussionsbeitrags” wenn er sagt, dass allein die Gefahr des Missbrauchs bereits ein hinreichender Grund sei, ein solches Gesetz abzulehnen. “Wenn das gelten soll,” so die Zeitung, “dann müssten wohl noch ganz andere Gesetze abgelehnt werden.” Auch das dürfte wohl wahr sein.


Doch nun endlich Rolf Stöckel im Wortlaut, aus der Heilbronner Stimme vom 14.04., als eine Replik auf Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer (Contra)

PRO: ROLF STÖCKEL, INITIATOR EINES GESETZES-VORSTOSSES

Patient soll entscheiden

< Jeder Patient hat das Recht auf fachgerechte Arztbehandlung, Pflege, Schmerztherapie, geriatrische und palliative Medizin sowie Sterbebegleitung. In diesem Rahmen halte ich die gesetzliche Regelung der Sterbehilfe für dringend geboten. Dank der Fortschritte der Medizin kann Sterben monate- und jahrelang hinausgezögert werden. In der Praxis besteht für Ärzte und selbst Richter eine gravierende Rechtsunsicherheit, etwa ob das Abschalten eines lebensnotwendigen Beatmungsgerätes verbotene Sterbehilfe ist oder nicht. Wer diese Probleme des "Nicht-Zulassens" eines Sterbens leugnet, möge sich selbst einmal in einer Klinik oder einem Altenpflegeheim aufhalten.

Die Kehrseite ist die Sterbehilfe in der Grauzone, ohne jegliche Kontrolle, wobei wir nicht wissen, ob sie überhaupt dem Willen des Schwerstkranken oder Hochbetagten entspricht. Dies betrifft in erster Linie die Unterlassung gebotener lebensverlängernder Maßnahmen, ferner die aktive indirekte Sterbehilfe mit höchstdosiertem Morphin in Kombination mit starken Beruhigungsmitteln. Wir müssen also Gebotenes und Unzulässiges unterscheiden lernen, wobei einzig der Wunsch des Einzelnen auf Leben- oder Sterben-Wollen ausschlaggebend ist.

Dagegen ist die gängige allgemeine Abgrenzung der “aktiven” Sterbehilfe, die in jedem Fall verboten sein soll, von der angeblich stets weniger schlimmen “passiven” Sterbehilfe ethisch fragwürdig. Vielmehr liegt im Bereich der Vorenthaltung von Gesundheitsleistungen durchaus auch mit lebensverkürzender Folge eine viel größere Gefahr. Da zumindest auch die indirekte Sterbehilfe eine Form der so genannten aktiven Sterbehilfe ist, umfasst diese also mehr als die direkte Tötung auf Verlangen. Nur letztere aber ist verboten und sollte es auch bleiben. Bei allen anderen Formen ist der Gesetzgeber gefordert, die Sicherung des Rechtes auf einen selbstbestimmten Tod einerseits und die Sicherung des Rechtes auf Lebensschutz andererseits zu gewährleisten. Die Rechtsverbindlichkeit einer individuell und konkret abgefassten Patientenverfügung wäre hier das Mittel der Wahl.