So erreichen Sie uns:
Telefonzentrale 030 206 21 78 - 00
Mo, Di, Do 10–17 Uhr, Fr 10–14 Uhr

So erreichen Sie uns:
Telefonzentrale 030 206 21 78 - 00
Mo, Di, Do 10–17 Uhr, Fr 10–14 Uhr

mail@patientenverfuegung.de

Finden Sie eine_n
Berater_in in Ihrer Nähe

Beitrag

Freiverantwortlichkeit beim Suizid: Einladung zu einer kostenfreien Online-Fortbildung 

13. Mrz 2024

Von Gita Neumann

Für die Suizidhilfe wird eine Klärung der vorauszusetzenden Freiverantwortlichkeit des oder der Sterbewilligen immer dringlicher. Nun wollen Fachgesellschaften Leitlinien auf den Weg bringen. Am 12. April findet dazu eine interdisziplinäre virtuelle Fortbildung statt – mit kostenfreiem Zugang.   

Gesetzliche Vorgaben zu mehr Rechtssicherheit bei der ärztlichen Suizidhilfe sind (jedenfalls alsbald) nicht zu erwarten. Angesichts der oft bemängelten Regelungslücken haben medizinische Fachgesellschaften nun die Eigeninitiative ergriffen. Darunter sind vor allem einerseits die als fortschrittlich und autonomieorientiert geltende Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) und andererseits die suizid(hilfe)ablehnende Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Sie wollen jeweils eigene fachärztliche Empfehlungen zu einer möglichen (oder aber aus psychiatrischer Sicht der DGPPN nahezu unmöglichen) freiverantwortlichen Entscheidung für einen assistierten Suizid auf den Weg bringen. Insbesondere die „krebsmedizinische“ Fachgesellschaft DGHO hat vor, angesichts der von ihren Mitgliedern beklagten Unsicherheiten einem erheblichen Orientierungs- und Fortbildungsbedarf nachzukommen. 

Die Crux bei der Unterscheidung zwischen körperlichen und psychischen Leiden 

Die psychiatrisch-psychosomatische Gutachterin und Fachärztin Dr. Anna Landis äußerte in einem Kommentar an die diesseits-Redaktion, worin die „Crux“ der bisherigen Handhabung besteht:

„Bei somatischen Erkrankungen nimmt man an, dass das für die Bildung eines freien Urteils notwendige Gehirn unbeeinflusst sei von der Erkrankung, bei einer psychischen Erkrankung/hirnorganischen Beeinträchtigung nimmt man das Gegenteil an. Beides ist falsch. Der somatisch Erkrankte würde ja niemals den Suizid wählen, hätte er die Erkrankung nicht, diese Erkrankung und ihre Folgen auf seine Lebensqualität ist also Auslöser für den Suizidwunsch. Viele somatische Therapien, aber auch chronische Schmerzen und Entzündungen beeinflussen das Gehirn wesentlich. Dennoch nimmt man die Möglichkeit einer Distanzierungsfähigkeit des Patienten an. 

Eine solche Distanzierungsfähigkeit wird dem psychisch und hirnorganisch Erkrankten grundsätzlich abgesprochen. Wer viel mit diesen Patienten zu tun hat, weiß, dass das falsch ist. Auch diese Patienten verfügen häufig genug über ein ‚Fenster der Klarheit‘, über welches sie rational ihre Entscheidung treffen können. Dieses Fenster müssen wir aufsuchen, das ist der Auftrag des BVerfG, das zudem eindeutig die Bindung der Zulässigkeit der Suizidhilfe an materiale Kriterien abgelehnt hat. Diagnosen aber sind materiale Kriterien. Diese helfen uns so wenig weiter wie die Delegation der Entscheidung an das Ergebnis von Checklisten und Fragebögen. Wir brauchen das Gespräch, die Einfühlung, den Nachvollzug sowie die narrative (!) Darlegung all dessen in einem ‚Fenster der Klarheit‘ des Suizidwilligen.“

Interdisziplinäre kostenfreien Internet-Fortbildung

Entscheidend sei für eine allgemeine professionelle Leitlinie, betont auch Prof. Jan Schildmann, Direktor des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin an der Universität Halle, dass sie interdisziplinär entwickelt werde. Er führt im Tagesspiegel Background Gesundheit & E-Health vom 12. Februar 2024 aus, Grund hierfür seien “unterschiedliche professionsethische Haltungen in den verschiedenen Fachgesellschaften”. Zudem seien die unterschiedlichen klinischen Kontexte, in denen Suizidhilfe angefragt werde, zu beachten: „Die Situation von Patientinnen und Patienten mit einer lebensbegrenzenden Krebserkrankung unterscheidet sich beispielsweise von der eines hochaltrigen Menschen in einer Pflegeeinrichtung.“ Es gebe allerdings gemeinsame Kriterien, die in allen Situationen erfüllt sein müssten: „Wichtig sind hier die Prüfung des Informationsverständnisses hinsichtlich der Handlungsoptionen und ihrer Konsequenzen, die Fähigkeit, diese Informationen vor dem Hintergrund persönlicher Werthaltungen abzuwägen sowie die Kommunikation einer Entscheidung.“

Prof. Schildmann hat gebeten, auf seine im April stattfindende Veranstaltung in einschlägigen Verteilerkreisen aufmerksam zu machen, wozu auch unsere Leser*innen herzlich eingeladen sind. Ärzt*innen können dafür Fortbildungspunkte erhalten. Die Entwicklung eines Instruments zur Testung der Freiverantwortlichkeit bei Anfragen nach Suizidassistenz sind aktuell auch Gegenstand seiner Forschung. 

Die kostenlose Online-Fortbildung findet am 12. April 2024 von 15.30 Uhr bis 17.30 Uhr statt. 

Aus dem Veranstaltungstext: „Anfragen nach Assistenz bei der Selbsttötung werfen bei Ärztinnen und Ärzten sowie Vertretern weiterer Gesundheitsberufe Fragen zum professionellen und rechtssicheren Umgang auf. Gegenstand dieser praktisch orientierten Fortbildung sind Statements aus unterschiedlicher fachlicher Perspektive und die gemeinsame Diskussion möglicher Kriterien einer verantwortbaren Praxis.“ 

Anmeldung für alle Interessierte unter: geschichte.ethik@uk-halle.de

Das Programm mit den Referent*innen wird auf Wunsch von der Zentralstelle Patientenverfügung zugeschickt.

___________________

Wenn Sie unsere Arbeit und unseren Service schätzen, können Sie uns eine anerkennende Zuwendung – gern mit persönlichem Kommentar oder Bitte um Rückmeldung – hier direkt zukommen lassen: www.patientenverfuegung.de/spenden