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Neues aus der Zentralstelle Patientenverfügung und Aktuelles zu medizinrechtlichen Themen

20. Dez 2021

Sabine Schermele übernimmt kommissarisch die Leitung der Zentralstelle

Sabine Schermele hat nach dem Ausscheiden von Elke Rasche, deren Stellvertreterin sie war, am 1. September 2021 die kommissarische Projektleitung der Zentralstelle Patientenverfügung übernommen. Sie kann per E-Mail unter s.schermele@hvd-bb.de oder telefonisch unter Telefon 030 – 20 62 17-803 gerne kontaktiert werden. Sei es bei Interesse an einer für Sie passenden Patientenverfügung, bei Fragen zum geänderten Hinterlegungsmodell, beim Wunsch nach einem die Patientenverfügung ergänzenden COVID-19-Bogen oder einer Digitalen Vollmacht, die ebenfalls in der Zentralstelle Patientenverfügung hinterlegt werden kann. 

Mediathek-Tipp: „Bring mich nach Hause“, ZDF 

von Sabine Schermele 

Im ZDF wurde bereits im Oktober die fiktionale Verfilmung eines realen Falles gezeigt, der mit Wolfgang Putz als Rechtsanwalt vor elf Jahren zu einem bahnbrechenden Urteil des Bundesgerichtshofs führte. Die hochkarätige Besetzung des Films trägt zur spannenden Dramatik bei. Thematisiert wird die zunächst unmöglich erscheinende Durchsetzung von im Voraus geäußerten Wunschvorstellungen einer hochbetagten Pflegeheimbewohnerin zum humanen Sterben. Die Seniorin hatte nach einem schweren Sturz das Bewusstsein nicht mehr wiedererlangen können. Eine Patientenverfügung war nicht zur Hand. Schließlich mussten die Töchter für ihre Mutter entscheiden, ob die lebensnotwenige künstliche Ernährung weiter fortzusetzen ist. Als sie sich nach Monaten einig sind, steht ihnen das Schlimmste noch bevor: verhärtete Auseinandersetzungen mit dem Heim und anschließende Gerichtsprozesse.

In der ZDF-Mediathek ist der Film noch bis Oktober 2022 zu sehen. Eine begleitende Dokumentation mit dem Titel “Zwischen den Welten: Leben und Sterben im Wachkoma” ist ebenfalls verfügbar.

Gesetz verabschiedet zur automatischen Notfallvertretung durch Ehegatten 

von Gita Neumann 

Automatisch können Verwandte nach bisher geltendem Recht keine Entscheidung über medizinische Behandlungen bei ihren nicht mehr entscheidungsfähigen Angehörigen treffen. Vielmehr ist eine Vertretung nur dann möglich, wenn eine rechtliche Betreuer-Bestellung oder eine Vorsorge- bzw. Gesundheitsvollmacht vorliegt. Das hat bei dringlichem Handlungsbedarf in akuten Notfallsituationen oft zu Problemen geführt und wird deshalb nach dem Willen des Gesetzgebers geändert. Ein neuer Paragraph (§ 1358 BGB) zur automatischen medizinischen Notfallvertretung ist bereits verabschiedet – der allerdings ausschließlich für Ehegatten gilt! Er tritt im Betreuungsrecht zusammen mit anderen Modernisierungen erst im Januar 2023 in Kraft. Dennoch bietet die Zentralstelle Patientenverfügung, in der diese Vorsorgedokumente zu gesundheitlichen Angelegenheiten hinterlegbar sind, ihren Klient_innen bereits vorzeitig eine persönliche Beratung dazu an. Hier die wichtigsten Neuerungen, die in einem Jahr  in Kraft treten:  

  • Ehegatten und Partner_innen eingetragener Lebensgemeinschaften dürfen den jeweils anderen in Themen der Gesundheitssorge vertreten. Dieser Automatismus gilt weiterhin nicht für sonstige Familienangehörige – wie etwa erwachsene Kinder oder Eltern von Volljährigen.
  • Das automatische Vertretungsrecht ist im Wesentlichen auf den Akutfall beschränkt und gilt somit nicht für einen irreversiblen Bewusstseinsverlust oder eine fortschreitende Demenz. Zur wirksamen Ausübung bis zu maximal sechs Monaten bedarf es der Bescheinigung mit Datum von einem_r der behandelnden Ärzt_innen. 
  • Damit die Dinge genauso geregelt werden wie gewünscht, muss weiterhin eine detaillierte Entscheidungsgrundlage für oder gegen bestimmte Behandlungsmaßnahmen in einer Patientenverfügung formuliert werden. Für die bevorzugten Vertrauenspersonen sollte zudem eine Vollmacht erstellt werden.
  • § 1358 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) tritt unter der Überschrift „Gegenseitige Vertretung von Ehegatten in Angelegenheiten der Gesundheitssorge“ am 1. Januar 2023 in Kraft.

Bundesverfassungsgericht: Patientenverfügung auch für psychiatrische Behandlungen bindend

Die Kanzlei Putz-Sessel-Steldingen informiert in einer Presseerklärung:

Lange war es strittig und von den Gerichten sogar abgelehnt worden, dass mit einer Patientenverfügung für den Fall künftiger Einwilligungsunfähigkeit aufgrund einer psychischen Erkrankung bindende Vorgaben, insbesondere Behandlungsverbote, ausgesprochen werden können. Nun hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 8. Juni 2021 einem klagenden Betroffenen im Maßregelvollzug insoweit Recht gegeben. […]

Wir begrüßen das Urteil als konsequente Weiterentwicklung und aktuellen Höhepunkt des Schutzes der Selbstbestimmung des Patienten durch eine Patientenverfügung. Es fügt sich nahtlos in Gesetz und Rechtsprechung zur Patientenverfügung. Eine Patientenverfügung kann nicht nur für den Fall der dauerhaften und vollständigen Bewusstlosigkeit, wie zum Beispiel durch ein Wachkoma, getroffen werden. Mit einer Patientenverfügung kann auch für jene Situationen wirksam Vorsorge treffen, in denen man bei voller Wachheit durch psychische Erkrankungen – ggf. auch nur zeitweise – an einer Entscheidungsfindung gehindert ist. In solchen Fällen wird man im Regelfall in einer Psychiatrie mit Psychopharmaka therapiert. 

Gerade psychiatrieerfahrene Patienten lehnen dies oftmals für künftige vergleichbare Situationen ab. Treten solche Situationen dann erneut ein, werden sie im Regelfall dennoch behandelt. Das können sie jedoch rechtlich bindend im Voraus verbieten. Dazu müssen sie in gesunden Tagen, in vollem Bewusstsein über die Auswirkungen ihrer Entscheidung, eine qualifizierte, hinreichend bestimmte und die spätere konkrete Behandlungs- und Lebenssituation klar beschreibende Patientenverfügung verfassen, die konkret benannte ärztliche Behandlungen in einer Psychiatrie ganz oder teilweise untersagt. Sinnvollerweise sollte dies nach medizinischer und rechtlicher Beratung erfolgen. […]

In nicht zu überbietender Deutlichkeit führt das Bundesverfassungsgericht aus:

„…Die Freiheitsgrundrechte schließen das Recht ein, von der Freiheit einen Gebrauch zu machen, der in den Augen Dritter den wohlverstandenen Interessen des Grundrechtsträgers zuwiderläuft. Das schließt die `Freiheit zur Krankheit´ und damit das Recht ein, auf Heilung zielende Eingriffe abzulehnen, selbst wenn diese nach dem Stand des medizinischen Wissens dringend angezeigt sind und deren Unterlassen zum dauerhaften Verlust der persönlichen Freiheit führen kann.“

Psychiatriepatienten, die dieses Freiheitsrecht in Anspruch nehmen wollen, müssen nach dem Urteil der Verfassungsrichter ggf. zum Schutze der Allgemeinheit zwar einen geschlossenen Vollzug hinnehmen, nicht jedoch eine Behandlung ihrer psychiatrischen Erkrankung innerhalb dieses Vollzugs. […] Nunmehr können sich also Menschen, deren möglicherweise wiederkehrende psychische Krankheitsphasen allenfalls zur Selbstgefährdung, jedoch nicht zur Gefährdung der Allgemeinheit oder des Klinikpersonals führen, sicher vor ungewünschter Behandlung in einer Psychiatrie schützen. 

BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 08. Juni 2021: 
http://www.bverfg.de/e/rs20210608_2bvr186617.html