So erreichen Sie uns:
Telefonzentrale 030 206 21 78 - 00
Mo, Di, Do 10–17 Uhr, Fr 10–14 Uhr

So erreichen Sie uns:
Telefonzentrale 030 206 21 78 - 00
Mo, Di, Do 10–17 Uhr, Fr 10–14 Uhr

mail@patientenverfuegung.de

Finden Sie eine_n
Berater_in in Ihrer Nähe

Beitrag

BMJ stellt richtig – was Notare zur PV so von sich geben

18. Mrz 2010

Kompetente Richtigstellung im juristischen Streit um Wirksamkeit von Patientenverfügung

Seit Monaten befeuern Notare und Justitiare weitere Verunsicherung zur Geltung von Patientenverfügungen. Es geht um willkürliche Behauptungen, wie das neue Patientenverfügungsgesetz vom 1.9.2009 auszulegen sei. Es wird, was Formalien und Ausführungsbestimmungen betrifft, alles Mögliche problematisiert und durchaus Widersprüchliches in die Welt gesetzt.

 

1. Beispiel:

In der Neuen Juristischen Wochenzeitschrift (NJW) vom 4. Februar 2010 lassen sich die Notarassessoren Diehn und Rebhahn in einem Beitrag zu Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung (S. 326 ff) folgendermaßen aus:

Wenn ein Patient nicht mehr einwilligungsfähig sei, dürfe ohne Einwilligung eines Vertreters des Patienten (Bevollmächtigter oder Betreuer) der Arzt keine Maßnahme unterlassen – auch wenn dies in einer Patientenverfügung konkret zum Ausdruck gebracht worden ist. Ein Arzt, der ohne Zustimmung eines Vertreters in einen Behandlungsabbruch einen solchen nur aufgrund einer Patientenverfügung vornähme, handele rechtswidrig. Er würde damit unzulässigerweise die Interpretationshoheit über die Patientenverfügung beanspruchen. Der Gesetzgeber habe aber die rechtfertigende Kraft einer Patientenverfügung dazu ausdrücklich abgelehnt. Dies diene dem Schutz des Lebens und des Selbstbestimmungsrechtes.

In der Praxis würde diese Rechtsauffassung der Notarassessoren Diehn und Rebhahn bedeuten: Das 3. Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts schwächte die Patientenverfügung entgegen der bisherigen Regelung, nach der eine hinreichend konkrete Patientenverfügung ja immer schon für Ärzte verbindlich war. Das wäre natürlich widersinnig, soll die Patientenverfügung durch die gesetzliche Verankerung doch umgekehrt gestärkt werden.

 

2. Beispiel

In der FAZ vom 11. Februar 2010 beschwert sich der Notar Scheuvens aus Scheiden-Gemünd in einem abgedruckten Brief an den Herausgeber über folgendes: In der FAZ sei am 6. 2. unter der Überschrift Der Patientenwille gilt auch ohne Betreuer die nach Scheuvens Meinung falsche – Auffassung des Juristen Dr. Rolf Coeppicus abgedruckt worden. Er, Scheuvens, teile jedoch den entgegengesetzten Standpunkt: Wie er selbst sähe dies auch die überwiegende Meinung in der Literatur (Albrecht MittBayNotK 2009, 426, 433, Ihrig, Notar 2009, 380, 383, 385, Diehn/Rebhan, NJW 2010, 326 ff).

Diese Auffassung sei allein deshalb berechtigt, weil die Entscheidung über Leben und Tod nicht allein vom Arzt allein getroffen werden sollte. Allerdings habe er entgegen dieser verbreiteten Meinung feststellen müssen, so Scheuvens, dass ausgerechnet der Palandt (Diederichsen), das Standardwerk zum Bürgerlichen Gesetzbuch, das in keiner Anwaltskanzlei fehlt und auch von den Richtern gern benutzt wird, in seiner neuesten Auflage (69. Aufl. 2010 unter Rdn. 24 zu Paragraph 1901 a) doch die Auffassung von Coeppicus stützt.

Richtigstellungen von kompetenter Seite

Das Standardwerk Palandt zum BGB gibt nun also glücklicherweise – entgegen allen Unkenrufe und Störmanövern – die herrschende und verfassungsrechtlich verbürgte Rechtsauffassung wider.

Für den Normalbürger erledigt dies die Neuauflage der Broschüre Patientenverfügung (Januar/ Februar 2010) des Bundesministeriums der Justiz – in einem Halbsatz. Die Broschüre, nunmehr herausgegeben von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, enthält ansonsten so gut wie keine Änderungen zur vorigen Fassung und besteht weiterhin aus den Standard-Bausteinen und Begleittexten, die eine interdisziplinäre AG unter Leitung von Bundesrichter a. D. Klaus Kutzer entwickelt hatte.

Neu eingefügt wurde hier (S. 12) die 2. Hälfte des Satzes (fett):

Die Ärztin oder der Arzt muss eine derart verbindliche Patientenverfügung beachten, auch wenn keine Vertreterin oder kein Vertreter bestellt ist.

 

Patientenverfügung von medizinisch unkundigen Notaren müssen überprüft werden 

Die Zentralstelle Patientenverfügung erhielt zahllose Anfragen verunsicherter Bürger/innen aufgrund von Artikeln aus Postillen und Zeitschriften. Bei den meisten fehlerhaften oder verzerrten Darstellungen durch Notare entsteht wohl beabsichtigt und durchaus interessegeleitet- der folgende Eindruck:

Nicht die medizinisch fachkundige Beratung wie von allen Experten im Umfeld des Gesetzgebungsverfahrens gefordert schaffe Sicherheit, sondern nur juristische Hilfe für das rechtsratsuchende Publikum. Sich mit eigenen Wertvorstellungen oder medizinischen Behandlungsmöglichkeiten befassen? Warum denn, wenn es doch angeblich nur um Vorschriften geht, die “Paragraphenfuchser” beherrschen?

 

3. Beispiel

Eine junge Dame fragt bei der Zentralstelle Patientenverfügung des Humanistischen Verbandes an, wo sie denn nun an eine neue Gesundheitsvollmacht kommen könne, wie sie ja nun nach dem neuen Patientenverfügung Gesetz gefordert wäre. Auf Nachfragen der Beraterin faxt die aufgeschreckte Ratsuchende einen Fachartikel aus einem Verbrauchermagazin für Wohneigentum zu, Autor ist ein Fachanwalt für Familienrecht, der Notar Hans-Michael Schiller.

Dort findet sich folgender Wichtiger Hinweis zu Patientenverfügungen, die bereits vor dem 1. September 2009 abgefasst worden sind. Zu prüfen sei eine solche, so Notar Schiller, ob diese ausdrücklich auch die Nichteinwilligung oder den Widerruf der Einwilligung in ärztliche Maßnahmen umfasst. Denn das Konkretisierungserfordernis … wurde auf die Fälle des Verzichts auf lebenserhaltende oder lebensverlängernde ärztliche Maßnahmen ausgedehnt. Der Beitrag suggeriert, dass bisherige Patientenverfügungen, die keinen Hinweis auf den neuen § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB enthalten, ein Sicherheitsrisiko darstellen würden. Empfohlen wird dagegen: Notarielle Beurkundungen oder Beglaubigungen (sorgen) für zusätzliche Sicherheit.

Beides ist natürlich Unsinn! Die Ratsuchende braucht mitnichten neue Formulare und schon gar keinen Notar aufsuchen!

 

4. Beispiel

Im Fach-Forum gesetzeskunde.de (unter: Arzt- und Patientenrecht) ist – mit besonders Wichtig versehen und unwidersprochen geblieben eine Empfehlung mit Link zu einem Anwaltstext aufgeführt, der lautet:

 … nach wie vor werden in einem äußerst komplexen und schwierigen Rechtsbereich Dinge angesprochen und geregelt. Dies sollte ausschließlich mit sachkundiger, juristischer Fachkompetenz und Unterstützung erfolgen. Ironisch sei hierzu die Anmerkung erlaubt, dass wohl kaum jemand auf die Idee käme, an sich selbst eine Blinddarmoperation mit dem ERSTE-HILFE-KOFFER auszuführen! Quelle: http://www.anwalt.de/rechtstipps/vorsorgevollmacht-und-patientenverfuegung_005916.html (ziiert sind die letzten beiden Sätze des Artikels)

Die unfreiwillige Ironie besteht hier tatsächlich darin, dass umgekehrt ein Jurist auf die Idee kommt, schwierige medizinische Angelegenheiten und Behandlungsentscheidungen mit juristischen Instrumenten auszuführen.

Nach Erkenntnis der Zentralstelle Patientenverfügung gehören insbesondere notariell im Rahmen einer Generalvollmacht mit aufgenommene Patientenverfügungstexte dringend auf den Prüfstand.