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Beitrag

Brilliant in Bundestagsdebatte zum Suizidhilfegesetz

30. Nov 2012
  1. Beitrag von Jerzy Montag in der Bundestagsdebatte zum Suizidhilfegesetz
  2. Sehenswert gewesen in der ARD-Themenwoche
  3. Der Wille des Patienten geht vor? Patientenverfügung und Psychiatrie

 

1. Herausragend: Jerzy Montag

Es gibt sie noch, die Sternminuten im Deutschen Bundestag. Dort gab es am gestrigen Donnerstag zur nächtlichen Stunde! – im trüben Umfeld bloßer Meinungen, Bedenken, Rechtfertigungen, Warnungen und Befürchtungen, welche ansonsten die 1. Bundestagsanhörung zum Gesetz gegen eine gewerbsmäßig Förderung der Selbsttötung prägte, ein herausragendes Highlight:

Die brillante Rede von Jerzy Montag, dem rechtspolitischen Sprecher der GRÜNEN

(nebenbei bemerkt neben Stünker (SPD) und Kauch (FDP) einem der Väter des 2009 verabschiedeten Patientenverfügungsgesetzes und diesbezüglich Kontrahent seiner Parteifreundin Göhring-Eckardt).

Montags Hinweise entsprechen weitestgehend den Vorstellungen des  Humanistischen Verbandes Deutschlands (HVD), der bereits im Sommer einen alternativen Gesetzentwurf zur strafrechtlichen Regelung der Suizidhilfe vorgestellt hat. Der HVD-Entwurf enthält zudem das, was laut Montag von einem neuen Suizidhilfegesetz auch erwartet werden sollte, nämlich die Klarstellung, dass die straflose Beihilfe zum Suizid nicht durch die Hintertür wegen unterlassener Hilfestellung verfolgt werden kann. Hierzu, so Montag weiter, lege der Entwurf der Bundesregierung aber leider nichts vor.  

Wie Montag ausführt, kann allenfalls das Element der Fremdbestimmung, das Verleiten zur Selbsttötung eines mangelhaft informierten, noch unentschlossenen Patienten ein Straftatbestand zum Schutze des Lebens sein. Strafwürdig sein kann hingegen aber nicht die Verschaffung der Gelegenheit zum Suizid an sich, nicht die Erstattung von Kosten, die dabei entstehen, nicht die Entlohnung der bei der Suizidhilfe eingesetzten Arbeitszeit … Erst vorige Woche hatte der Präsident des HVD, Prof. Frieder Otto Wolf, vor einer solchen Kriminalisierung gewarnt.

Das humanistische online Magazin diesseits.de hat die vollständige Bundestagsrede von Jerzy Montag (mit Foto) sowie auch alle anderen Debattenbeiträge hier veröffentlicht: 

http://www.diesseits.de/perspektiven/saekulare-gesellschaft/1354230000/sterbehilfe-verbot-montags-nicht-gehoerte-rede

Je nach Sichtweise als Ergänzung oder Alternative hat die  Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) im November ein eigenständiges Gesetz zur Suizidprävention vorgestellt. Dieses sieht die Gewährleistung eines staatlich kontrollierbaren Verfahrens vor, um Suizide zu vermeiden, zu kanalisieren und zu kontrollieren. Das von der DGHS vorgeschlagene Gesetz soll die Grundlage für staatlich geförderte und zugelassene Beratungsstellen bilden. Zur Begründung führte DGHS-Präsidentin Elke Baezner aus: Die Bürger und Bürgerinnen dieses Landes wünschen sich ein humanes, an ihrem persönlichen seelischen und körperlichen Wohl orientiertes Lebensende. Dieses soll als Option unter bestimmten Umständen auch den ärztlich begleiteten Freitod einschließen Doch bevor es überhaupt so weit kommt, muss den Freitod suchenden Personen eine werteneutrale, ergebnisoffene, kompetente und vertrauliche Beratung angeboten werden analog der schon seit Jahren existierenden Schwangerschaftskonfliktberatung. (Am Rande sei hier angemerkt, dass jeder Schwangerschaftsabbruch ansonsten strafbar ist, wohingegen jede Hilfe zu einem freiverantwortlichen Suizid bisher ansonsten erlaubt ist.)

Liegt ein nachvollziehbarer, schwerwiegender Grund und über einen längeren Zeitraum hinweg konstanter Wille für einen wohlüberlegten Freitod vor, soll dem entscheidungsfähigen Sterbewilligen eine Bescheinigung ausgestellt werden, die ihm die Option eines humanen, ärztlich begleiteten Suizids ermöglicht, so Baezner weiter.

Quelle: http://www.diesseits.de/perspektiven/saekulare-gesellschaft/1354143600/suizidhilfegesetz-praeventionsmantel

Für Kritiker vor allem aus katholischen Reihen gilt gerade dies als staatliche Lizenz zum Töten.

Vertreter der Kirchen in Politik und Gesellschaft fordern derweil vehement ein verschärftes Suizidhilfeverbot. Verlangt wird sowohl von Seiten der  Deutschen Bischofskonferenz wie auch der  Evangelischen Kirche in Deutschland eine Ausweitung der Strafbarkeit auf jede Suizidbeihilfe, die über den erbettelten Abschied im Geheimen oder die mehr schlecht als recht improvisierte Beendigung des eigenen Lebensende hinausgeht: Verboten werden soll danach jede Form von institutionalisierter, professionell organisierter oder mehrfach geschäftsmäßig durch einen Arzt durchgeführte Suizidbeihilfe. Dies stößt jedoch in der Bevölkerung auf so massive Ablehnung, dass eine im Bundestag zur normalen Tageszeit (!) geführte Verbotsdebatte darüber vielleicht vielen nicht opportun erscheinen mag.

 

  

2. ARD-Beitrag zur Physiologie des Sterbens

Eine Leserin des Patientenverfügung-newsletters hat auf einen besonders informativen Beitrag im Rahmen der ARD-Themenwoche hingewiesen. Um diese zu würdigen, geben wir exemplarisch für viele andere sehenswerte Beiträge hier ihren Hinweis wieder:

  Für den medizinischen Laien war ein Beitrag in “W wie Wissen” am Sonntag um 17 Uhr in der ARD zur “Biologie des Todes” ausgesprochen informativ:

http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/w-wie-wissen/sendung/2012/sterben-102.html

In dem Video sind sehr anschauliche Computeranimationen zur Physiologie des Sterbens enthalten und Professor Christoph Ostgathe erklärt engagiert den notwendigen Verzicht auf künstliche Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr im Sterbeprozess.

 

 

3. Der Wille des Patienten geht vor? Patientenverfügungen und Psychiatrie

Auf der Meinungsseite des Tagesspiegel vom 29.11. ist dieser Gastbeitrag von Wolfgang Neskovic abgedruckt. Der Autor ist früherer Bundesrichter und sitzt für die LINKEN im Bundestag:

>> Mit der Patientenverfügung wurde der Wille von Menschen in medizinischer Behandlung gestärkt. Ein Gesetzentwurf zur Zwangsbehandlung psychisch Kranker fällt weit dahinter zurück.

Medizinische Behandlungen gegen den Willen eines Patienten zählen zu den schwierigsten Problemen der Ethik und der Rechtswissenschaft. Darf ein Arzt einen einsichtsunfähigen Menschen gegen seinen erklärten Willen behandeln? Darf er es, wenn dieser Mensch aufgrund seiner psychischen Erkrankung so einsichtsunfähig erscheint, dass man meint, ihn vor sich selbst schützen zu müssen?

Der richtige Ort, um diese schwierige Frage zu klären, ist in einer Demokratie das Parlament.

Der Bundestag hat in einem ganz ähnlichen Zusammenhang schon einmal umfassend diskutiert. Nach dem Gesetz über die Patientenverfügung soll bei allen Einsichtsunfähigen unabhängig von der Art ihrer Erkrankung allein der in der Patientenverfügung festgehaltene oder mutmaßliche Wille entscheidend sein. … Der Bundestag hatte sich mit der Patientenverfügung viel Zeit gelassen. Am Ende stand ein durchdachtes Gesetz. In dessen Begründung heißt es: Aus dem verfassungsrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrecht des Menschen folgt, dass weder die Krankheit noch der ärztliche Heilauftrag ein Behandlungsrecht des Arztes begründen. Maßgeblich sei der Wille des Patienten. Es käme nicht darauf an, ob die Entscheidung eines Patienten aus medizinischer Sicht als vernünftig oder unvernünftig anzusehen ist.

Der Unvernunft verwandt ist der Wahnsinn. In den psychiatrischen Anstalten der Bundesrepublik sind Tausende einsichtsunfähige Menschen (und solche, die man dafür hält) untergebracht. Wenn sie sich selbst gefährden, bringt man sie in Ruheräume. Tritt keine Ruhe ein, werden ihnen Psychopharmaka mit häufig schweren Nebenwirkungen verabreicht. Wenn sie sich trotz guten Zuredens weigern, die Medikamente einzunehmen, wird Zwang angewandt. Der Bundesgerichtshof hatte im Juli 2012 hierfür eine ausdrückliche Rechtsgrundlage verlangt. Die fehlte bislang. Deswegen stellten die Regierungsfraktionen nun einen eilig zusammengeschriebenen Entwurf vor. Er soll den Ärzten den unsicher gewordenen Arm an der Beruhigungsspritze stützen … <<.

Vollständig unter:  http://www.tagesspiegel.de/meinung/gastbeitrag-der-wille-des-patienten-geht-vor/7453268.html

 Der Autor bezieht sich im o.g. Gastbeitrag auch auf den Fall des Gustl Mollath, der in diesen Tagen als Justizskandal vielfach diskutiert wird. Mollath wurde vor 7 Jahren in Bayern als gefährlich in die Psychiatrie zwangseingewiesen, u. a. wegen Einprügels auf seine Ehefrau und Würgens bis zur Bewusstlosigkeit “im psychotischen Wahn” sowie wegen des Zerstechens von Autoreifen. Sein Fall wird jetzt aufgerollt er sitzt bis heute gegen seinen Willen in der bayerischen Psychiatrie.

Siehe: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/fall-mollath-gefangen-in-weiss-blauem-filz-a-870264.html

und http://www.stern.de/panorama/neuauflage-des-fall-mollath-oft-erlebt-dass-gerichtliche-instanzen-versagen-1935040.html