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Wissenschaftliche Orientierungshilfe von Meinolfus Strätling humanistisch, liberal, wertepluralistisch

14. Sep 2014

Ein ausgewiesener Experte zu medizinischen, ethischen und rechtlichen Fragen am Lebensende, PD Dr. Meinolfus Strätling hat eine von ihm federführend verfasste Stellungnahme zu den aktuellen Gesetzgebungsvorhaben vorgelegt. Sie trägt den Titel Strafrechtliches Verbot der ärztlich assistierten, organisierten, oder geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe bei schwersten Leidenszuständen?  Mitautorin ist Dr. med. Beate Sedemund-Adib (Universitätsklinikum Schleswig-Holstein).

Die Stellungnahme bietet für Politik und Öffentlichkeit eine Orientierungshilfe, die sich an wertepluralistischen, liberalen Grundsätzen orientiert. Sie ist ab sofort hier kostenfrei verfügbar:

Suizidbeihilfe – strafrechtliches Verbot? Stellungnahme_straetling_et_al.pdf

 

 Strätlings kritische Analyse (Stand August 2014) bezieht sich auf den bereits voll ausgearbeiteten Gesetzentwurf der Deutschen Stiftung Patientenschutz.  Dieser sieht ein zukünftiges Verbot der Suizidhilfe vor, wie es auch von der Union und der Bundesärztekammer prinzipiell befürwortet wird. Laut Dt. Stiftung Patientenschutz soll im Strafrecht ein neuer § 217 wie folgt gefasst werden:

§ 217 (neu): Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung

(1) Wer absichtlich und geschäftsmäßig einem anderen die Gelegenheit zur Selbsttötung gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ein nicht geschäftsmäßig handelnder Teilnehmer ist straffrei, wenn der in Absatz 1 genannte andere sein Angehöriger oder eine andere ihm nahestehende Person ist.

Strätling verwirft solche Absichten und stellt aufgrund von empirisch belegten Fakten, überzeugenden Argumenten und rechtlichen Hintergründen dar: Ein zukünftiges strafrechtliches Verbot der Suizidbeihilfe kann in Deutschland nicht infrage kommen.

Seine Orientierungshilfe kommt im Einzelnen zu folgenden Ergebnissen:

  1. Ein gesetzlicher Regelungsbedarf im Rahmen des Strafrechts ist nicht nachgewiesen. Auf Grundlage der vorliegenden empirischen Erkenntnisse ist er zu verneinen.
  2. Das gewählte Mittel eines Verbots ärztlicher, professioneller oder organisierter Suizidbeihilfe ist nicht nur wirkungslos: Im Sinne der erklärten Intentionen des Gesetzgebungsvorhabens ist es absehbar sogar kontra-produktiv.
  3. Die Einhaltung und Umsetzung durch die Ermittlungsbehörden und die Rechtspflege ist nicht zu gewährleisten.
  4. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit erscheint höchst fragwürdig.
  5. Aus gesellschaftspolitischer Sicht steht der Entwurf im scharfen Gegensatz zu den Wünschen und Präferenzen der breiten Mehrheit der Bevölkerung. Auch innerhalb der Heilberufe (Ärzteschaft, Pflege) sowie unter den ausgewiesenen Experten wird er kritisch gesehen. Hierfür gibt es eine Fülle von überzeugenden Sachargumenten. Damit widerspricht er einem bereits erreichten, sehr breiten, sachlich vernünftigen und offensichtlich auch weiter zunehmenden Konsens in Bezug auf die Kernfragen der Sterbehilfe.
  6. Dieser breite Konsens, der seinen Ausdruck nicht zuletzt in der bereits jetzt in Deutschland gültigen Rechtslage findet, wird also von einer relativ kleinen Minderheit aufgekündigt. Dies erfolgt auf einer weltanschaulich einseitigen sowie sachlich nicht ausreichend informierten Grundlage.
  7. Der analysierte Regelungsvorschlag erscheint von einer wohlmeinenden Grundintention geleitet. Allerdings sind praktisch alle seine Grundannahmen fehlerhaft. In der Praxis ist er für die unmittelbar Betroffenen weder hilfreich, noch umsetzbar. Dem Gesetzgeber ist daher dringend nahezulegen, den Plan des strafrechtlichen Verbots der Suizidhilfe entweder fallen zu lassen, oder grundlegend zu überarbeiten.
  8. In diesem Sinne werden zwei konsensorientierte Lösungsmöglichkeiten erläutert.
  9. Dabei dürfte allerdings das aktuell propagierte Zurückfallen des Gesetzgebers hinter bereits jetzt in der Bundesrepublik geltendes sowie allgemein weitgehend akzeptiertes Recht realistischer weise nicht in Betracht kommen.

 Priv. Doz. Dr. med. Meinolfus Strätling,  Arzt und Medizinethiker, ist in Deutschland und Großbritannien tätig. Als Mitglied des Humanistischen Verbands Deutschland berät er das Humanistische Bündnis  zur Verhinderung eines gesetzlichen Verbots der Beihilfe zum Suizid. Strätling wird einen einführenden Impulsvortrag auf dem Sterbehilfe-Kongress des Humanistischen Bündnisses am 11. Oktober in der TU Berlin (s.u.) halten. Er hat als anerkannter Experte zu Entscheidungen am Lebensende die Deutsche Bundesregierung, Landesregierungen, die Rechtsprechung, Berufs- und Standesorganisationen und andere Verbände beraten.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die dargestellten Argumente und Befunde im Wesentlichen auch auf den jüngst in Buchform veröffentlichten Regelungsvorschlag der Autorengruppe um Prof. G. D, Borasio anzuwenden sind. Diese hat einen Vorschlag ebenfalls zum § 217 im Strafgesetzbuch unterbreitet. Auch diesen Vorschlag seiner Kollegen (Borasio, Jox und Wiesing), denen mit Prof. Jochen Taupitz immerhin ein renommierter Jurist zur Seite stand, beurteilt Strätling sehr kritisch. Denn er falle, so Strätling, bei vielleicht wohlmeinender Absicht zur ärztlichen Suizidhilfe, mit seinem ansonsten umfassenden Verbot sogar noch weiter hinter bereits geltendes Recht zurück als etwa die Absichtserklärungen der Union. Eine weitere Stellungnahme von Strätling dazu sowie ein allgemeiner “Faktencheck” zur allgemeinen Bewertung von Gesetzesvorschlägen wird in Kürze veröffentlicht.