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Ärztetag, Beckmann-Talk 30.05. und berufsrechtliche Verschärfung bei Suizidhilfe

27. Mai 2011
  • Berufsrecht zum assistierten Suizid soll auf Ärztetag verschärft werden Plädoyer für alternatives ärztliches Ethos chancenlos

  • ARD, Beckmann am Montag, 30.05., 22:45 Uhr: Selbstbestimmt leben, fremdbestimmt sterben?”

Der Ärztetag in Kiel (Beginn 31.05.) naht. Zur Abstimmung liegt u. a. ein Antrag des Bundesärztekammervorstandes vor, die Berufsordnung dahingehend zu ändern, dass die Suizidhilfe (die ja anders als die Tötung auf Verlangen strafrechtlich nicht verboten ist) in Zukunft Ärzten ausdrücklich untersagt werden soll. Dann drohen bei einer solchen ärztlichen Gewissensentscheidung mögliche berufsrechtliche Straf- und Sanktionsmaßnahmen, die es bei den zweideutigen Formulierungen der bisherigen Berufsordnung so nicht gab.

In der bisherigen Fassung heißt es kryptisch, dass Ärzte “das Leben Sterbender nicht aktiv verkürzen dürfen” darin bleibt bisher offen, ob damit auch die Hilfe zum Suizid gemeint ist oder nicht. Die Deutsche Bischofskonferenz lehnt in der aktuellen Debatte die Suizidhilfe ebenso ab wie jüngst die Gemeinschaft evangelischer Kirchen Europas (GEKE), wie die Hospiz- und Palliativverbände. Am letzten Freitag begrüßte zudem das Zentralkommitee der Deutschen Katholiken ausdrücklich die vorgesehene Klarstellung, dass nicht nur eine strafrechlich verbotene Tötung, sondern auch eine (straffreie) Hilfe zur Selbsttötung Ärzten eindeutig vom Berufsrecht untersagt werden soll. Deren Präsident Alois Glück dankte der Bundesärztekammer ausdrücklich für dieses deutliche Signal.

Demgegenüber beklagte die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) Elke Baezner: Ein solches antiquiertes Selbstverständnis des Arztberufs über die obligatorische Kammer-Zugehörigkeit den Ärztinnen und Ärzten aufzuzwingen, richtet sich gleichermaßen gegen die Interessen von Patienten UND Ärzten. Sie nannte die liberale Haltung in der Schweiz als Vorbild und verweist auf die Volksabstimmung im Schweizer Kanton Zürich vom 15. Mai 2011. Eine überwältigende Mehrheit von 85 Prozent hat zwei konservativ-christliche Initiativen gegen die Suizidhilfe abgelehnt, “die das Freiheitsrecht des Bürgers am Lebensende radikal beschränken wollten”. Baezner weiter: Die Menschen wollen ihr Selbstbestimmungsrecht gewahrt wissen.

Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) als Vertretung nicht-kirchlich gebundener Menschen hat gegen die beabsichtigte Verschärfung nicht das Selbstbestimmungsrecht auf Freitod gesetzt. Vielmehr wurde auf der Pressekonferenz des HVD ebenfalls am Freitag ein leidenschaftliches, einfühlsames und ja  fast sogar pathetisches Plädoyer für ein ärztliches Ethos vorgestellt, welches auch suizidwillige Schwerstkranke Patienten “in die Arme nimmt” und nicht allein läßt. Es wurde formuliert von Mitgliedern des Kuratoriums des HVD, welches aus Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens besteht, darunter auch muslimischen und christlichen Glaubens. Federführend war das Kuratoriumsmitglied Dr. Michael de Ridder:

Positionspapier des Kuratoriums des HVD zum ärztlich assistierten Suizid (PDF-Datei)

Doch die Chancen dafür stehen schlecht, zumal dem designierter neuen Bundesärztekammerpräsident Frank Ulrich Montgomerie die Abwehr gegen mögliche Sterbe- und Suizidhilfe besonders am Herzen liegt. Beim Deutschen Ärztetag dürfte der Antrag zur Verschärfung der Berufsordnung zwar für Gesprächsstoff sorgen. Noch im vergangenen Jahr könnte sich in einer Befragung mehr als ein Drittel aller Ärzte in Deutschland vorstellen, Patienten beim Suizid zu unterstützen diese fand jedoch anonym statt. Eine weitere Debatte soll wohl im Keim erstickt werden, jedenfalls wurde der bundesweit bekannte Autor (“Wie wollen wir sterben?”) und Kinikarzt Dr. de Ridder nicht zum Ärztetag eingeladen. Auch de Ridder selbst zeigte sich auf der HVD-Pressekonferenz pessimistisch.

Eine neue humanistisch orientierte Bürger/innen-Bewegung wird sich vernetzen müssen, die sich selber zu helfen weiß wenn sich die Ärzteschaft aus der Verantwortung stiehlt oder es vorzieht, sich (nur) im Verborgenen an sterbeverkürzenden Maßnahmen zu beteiligen. Dass diese nicht aus der Welt zu schaffen sind, dürfte unstrittig sein. Längst hat sich nicht nur in der deutschen Bevölkerung, sondern auch unter den Ärzten in Deutschland die Einsicht breit gemacht, dass die Mittel der klassischen Palliativmedizin nicht nur bei manchen Krebskranken und Sterbenden versagen, sondern erst recht bei  schwerversehrten, hochbetagten, chronisch schmerzkranken oder gar bei dementen Menschen.

“Beckmann” (ARD-Fernseh-Talk) am kommenden Montag

Vermutlich wird auch “Beckmann” (ARD-Fernseh-Talk) am kommenden Montag, ab 22:45 Uhr auf den tags darauf beginnenden Ärztetag zu sprechen kommen. Unter den Gästen ist u. a. Gita Neumann (Humanistischer Verband Deutschlands) sowie der Arzt Dr. Thomas Sitte (Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin).

Das Thema lautet: Selbstbestimmt leben, fremdbestimmt sterben? Wie wir ein Ende in Würde finden können. (Die Sendung kann anschließend eine Woche lang unter http://www.daserste.de/beckmann angesehen werden).  

Am 30.05.2011 erzählen zunächst Rechtsanwalt Wolfgang Putz und seine Mandantin Elke Gloor, Autoren des gemeinsamen Buches “Sterben dürfen” (Verlag Hoffmann & Campe) eine schier unglaubliche Geschichte. Zunächst geht es um das jahrelange schwere Leiden von Elke Gloors Mutter Erika Küllmer. 2002 fällt die 71-Jährige nach einem Hirnaneurysma ins Wachkoma nur vier Wochen zuvor hat sie gegenüber ihrer Tochter Elke lebensverlängernde Maßnahmen im Falle einer schweren Erkrankung abgelehnt. Sie konnte jedoch nach vielen Jahren erst durch massive Intervention nicht zuletzt wegen der Inkompetenz und Ignoranz des Pflegeheims so sterben, wie sie es ihrer Familie als Versprechen abgenommen hatte. Dann wird von einem der kuriosesten Sterbehilfe-Verfahren in Deutschland berichtet, welches daraufhin folgte. In diesem wurden beide Autoren wegen versuchter aktiver Sterbehilfe (Totschlag) angeklagt. Das Schwurgericht Fulda sprach Elke Gloor frei und verurteilte Wolfgang Putz.

Erst der Bundesgerichtshof sprach den Juristen am 25. Juni 2010 ebenfalls frei und macht in einem Grundsatzurteil zur Sterbehilfe Justizgeschichte. Dies gefiel nicht allen. Die Hospizstiftung sprach von einem Schwarzen Tag und auch die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin äußerte Bedenken das Agieren des Pflegeheims wurde von beiden Organisationen dabei nicht kritisiert. Mehr zum Fall siehe: http://www.patientenverfuegung.de/humanes-sterben

Als weiterer Gast bei Beckmann ist Wilhelm Wieben (ehem. “Tagesschau”-Sprecher) eingeladen, der mit der Aktion “Augen auf!” gegen die Vereinsamung und Verwahrlosung älterer Menschen in Hamburg kämpft. Speziell sie sowie Pflegeheimbewohnerinnen und dementiell Erkrankte können gar nicht von klassischer Hospizarbeit und Palliativmedizin profitieren.